Freitag, 8. Januar 2010

BRD: Innenpolitische Entwicklung (Teil 1)

Bundesrepublik Deutschland - Geschichte und Perspektiven

Die Entstehung der BRD ist geprägt von der politisch-moralischen und militärisch-materiellen Katastrophe des "Dritten Reiches" und der Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Kommunismus. In der unmittelbaren Nachkriegszeit bestand auf der Ebene der Besatzungsmächte und der deutschen Politik ein antifaschistischer Konsens unter Einschluss der Kommunisten. Dem Einheitsdenken der unmittelbaren Nachkriegszeit entstammen wesentliche Strukturprinzipien der Parteien- und Verbändelandschaft wie die Einheitsgewerkschaft, der einheitliche Bauernverband, die überkonfessionelle CDU und CSU, die Öffnung der SPD gegenüber neuen Schichten und die Vereinigung der nationalliberalen und linksliberalen Traditionslinien in der FDP.

Während der Blockade Berlins durch die Sowjetunion 1948/49 kam ein antikommunistischer Konsens hinzu. Auf dieser Grundlage gingen die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder auf das Angebot der Westmächte ein, einen Staat aus den Westzonen zu bilden – zunächst als Provisorium bis zu einer gesamtdeutschen Lösung betrachtet. Die so entstandene Bundesrepublik sollte nach der von dem ersten SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher formulierten "Magnet-Theorie" so attraktiv gemacht werden, dass die Sowjets ihre Zone allein mit militärischer Macht nicht halten könnten.

Die breite sozialistische Grundstimmung der Nachkriegszeit, die bis weit in die CDU/ CSU hinein reichte, wich in den fünfziger Jahren schrittweise einem Konsens über die Soziale Marktwirtschaft, die von dem ersten Wirtschaftsminister Erhard repräsentiert und vertreten wurde.
Grund war das "Wirtschaftswunder", d.h. die hohen Wachstumsraten zwischen 1951 und 1973, die breiten Schichten die Möglichkeit eröffneten, sich einen nie gekannten Wohlstand zu erarbeiten. Nach mehr als drei Jahrzehnten von Kriegen und Krisen brachte die neue stabile Ordnung zum ersten Mal wieder ein Gefühl der Sicherheit und Normalität. Nach den Krisenjahren, in denen CDU und CSU in Landtagswahlen große Verluste hinnehmen mussten, bildete der Wirtschaftserfolg seit dem "Korea-Boom" 1950-52 bei der zweiten und dritten Bundestagswahl die Grundlage für das "Wahlwunder": 1957 erreichte zum ersten und einzigen Mal eine Partei in freien Wahlen die absolute Mehrheit. Dies schuf die Grundlage für eine Vormachtstellung der CDU/CSU in der Bundespolitik. Da in diesen Jahren auch die Ministerien und Verwaltungen aufgebaut wurden, sprachen Kritiker nicht ohne Grund polemisch vom "CDU-Staat".

Entgegen den liberalen Ideen Erhards blieben Staatseingriffe, Bankenmacht und Arrangements in Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend. Eine weitgreifende und undoktrinäre Sozialpolitik bildete wesentliche "Integrationsklammern" des neuen Staates.
Den zwölf Millionen Ostvertriebenen wurde, finanziert von Vermögensabgaben, ein Lastenausgleich gewährt, der zunächst vor allem in produktive Investitionen floss. Ein Umsiedlungsprogramm erleichterte ihnen den Weg in die Industriezentren. Im sozialen Wohnungsbau errichteten gewerkschaftliche und kirchliche Träger mit staatlicher Hilfe Millionen Mietwohnungen. Kriegsopfer erhielten Renten. Wenige Monate vor der Bundestagswahl 1957 wurden die Altersrenten wesentlich erhöht und zugleich an die Einkommensentwicklung gebunden ("dynamisiert"), erst seitdem lagen sie überwiegend über dem Existenzminimum.
Die staatliche Umverteilungsquote übertraf in den Gründungsjahren der BRD die aller anderen westlichen Länder. Im ständigen Wettbewerb zwischen den beiden großen Parteien bildeten sich stabile Muster des Sozial- und Verteilungsstaates aus, alle Beteiligten gewöhnten sich an wachsende Erträge und staatliche Leistungen. Nach dem Stolz auf die eigene ökonomische Leistung, dem Wirtschaftspatriotismus, entwickelte sich nun der Stolz auf den Sozialstaat, Sozialpatriotismus.

2 Kommentare:

  1. Sie schreiben: "Während der Blockade Berlins durch die Sowjetunion 1948/49 kam ein antikommunistischer Konsens hinzu." Waren in diesen "Konsens" etwa auch die Millionen westdeutscher Kommunisten und Sozialisten eingebunden? Doch wohl kaum! Wie können Sie dann von einem "Konsens" sprechen?

    Sie schreiben weiter: "Nach dem Stolz auf die eigene ökonomische Leistung, dem Wirtschaftspatriotismus, entwickelte sich nun der Stolz auf den Sozialstaat, Sozialpatriotismus." Meinen Sie damit, dass 100 % der westdeutschen Bevölkerung diesen "Stolz" verspürten? Beschränkte sich dieser nicht vielmehr auf bestimmte soziale Gruppen, vielleicht sogar auf eine Mehrheit der Menschen, aber gewiss nicht alle Bundesbürger? Falls ja, wieso identifizieren Sie andauernd die Meinung bestimmter Kreise mit "der" Meinung "der" Deutschen? Ist das nicht höchst unpräzise, da es gewissermaßen für alle (!) Zeitgenossen gleiche Anschauungen unterstellt? Wie ist das zudem möglich in einem System, das sich doch selbst als "pluralistisch" versteht?

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  2. Ja, dann müsste man noch einmal jeden einzelnen befragen. Sollten Sie das schaffen, geben Sie mir doch einfach Bescheid. Oder Sie gehen mal in ein Grundseminar Geschichte. Da lernt man auch, zwischen Pauschalisierungen und notwendigen Verallgmeinerungen zu differenzieren ohne zu denunzieren...

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