Samstag, 25. August 2012

Kommunikation für Fortgeschrittene - Die Gestik

 
Die Gestik
Als Gestik versteht man im Unterschied zur Mimik nicht nur das „Spiel“ um die Augen herum, also den jeweiligen Gesichtsausdruck, sondern eine Handlung im Sinne einer Übermittlung eines optisch sichtbaren Signals an eine andere Person.
Ein solches Signal kann gewollt eingesetzt sein, indem zum Beispiel einer anderen Person per Handzeichen zugewinkt wird.
Eine Gestik kann aber auch unbewusst, kulturell eingewöhnt oder rein zufällig entstehen. Beim Niesen zum Beispiel nehmen wir intuitiv die Hand oder (besser) den Arm schützend vor den Mund. Wenn wir etwas nicht wissen oder aufgrund der anstehenden Aufgaben verzweifelt oder ratlos erscheinen, kratzen wir uns am Kopf oder halten uns diesen.

Man unterscheidet in primäre und sekundäre Gesten. Primäre Gesten dienen allein der direkten Kommunikation. Sekundäre, also eher beiläufige Gesten, haben eine andere Funktion, übermitteln aber nebenbei eine Information. Es gibt auch Gesten, die als sekundäre Gesten primär benutzt werden. So kann ein demonstratives Gähnen als eigentlich sekundäre Geste zu einer primären stilisiert werden, um dem Gegenüber anzuzeigen, dass man sich langweilt.


Weitere Gesten und ihre mögliche Deutung werden im Folgenden tabellarisch als Übersicht festgehalten:


Gestik
  Mögliche Deutung
Die Fingerkuppen einer Hand aneinander pressen
  Die getroffene Aussage betonen
Armbewegungen oberhalb der Taille
  Sicherheit
In der Luft von oben nach unten geführte Schläge (etwas soll kleiner gemacht werden, als es ist)
  Sicherheit/Ablehnung
Das Kinn streicheln
  Selbstgefälligkeit
Arme hinter dem Kopf verschränken beim Zurücklehnen
  Souveränität, Selbstgefälligkeit
Sich die Hände reiben
  Zufriedenheit/Selbstgefälligkeit
Mit den Händen ein Spitzdach nach oben formen
  Sicherheit/Nachdenklichkeit
Mit den Fingern trommeln
  Unsicherheit/Nervosität
Die Hände vor der Brust falten
  Unsicherheit/Verkrampfung
Die Füße um die Stuhlbeine legen
  Unsicherheit/Verkrampfung
Sich an die Nase fassen
  Unsicherheit/Verlegenheit
Die Brille hochschieben
  Unsicherheit/Zeitgewinn
Die Hand vor den Mund halten
  Unsicherheit/Ungeschehen
Hände in die Hüften stemmen
  Erregung
Die Brille hastig abnehmen
  Erregung
Einen oder mehrere Finger auf die Lippen legen
  Zurückhalten von Informationen
Verschränkung der Arme
 
  Zurückhaltung, Verschlossenheit, 
  Ablehnung o. Unsicherheit

Fingerkuppen an die Nasenspitze halten
  Konzentration
Den Kopf auf die Hände stützen
  Ermüdung, Langeweile


Unterschiedliche Gesten der Hände
Die Siegerpose mit hoch gestreckten Fäusten ist ebenso bekannt wie scheinbar eindeutig. Wenn wir uns allerdings an die geballte Faust der beiden 200 Meter Sprinter bei den Olympischen Spielen von 1968 in Mexiko City Tommie Smith und John Carlos vor Augen halten, müssen wir feststellen, dass eine vermeintlich etablierte Geste schnell zu einer politischen Symbolik erhoben werden kann.
Auf dem Siegerpodest erhoben beide Athleten mit dem Einspielen der amerikanischen Nationalhymne einen Arm und ballten eine Faust. Zusätzlich trugen sie einen schwarzen Handschuh. In der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung war die erhobene Faust das symbolische Zeichen von „Black Power“ und als Demonstration gegen die Rassendiskriminierung, die in den USA seinerzeit eine zunehmend große Rolle spielte.1

 
 
Black Power bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko City
 
 
 
 




Doch auch ohne politisch aktiv zu sein, verwenden wir die Hände zum Beispiel als Geste der Zustimmung oder auch der Ablehnung, um nur die beiden Hauptsignale zu benennen. Eine Garantie auf eine spezifische Signalwirkung und Bedeutung gibt es nicht, es hilft Ihnen aber Ihren Gegenüber in seiner Befindlichkeit besser zu verstehen und einige Gesten zu deuten.

Sofern die Hände vor oder neben dem Körper offen gehalten werden, kann man grundsätzlich von einer positiven Signalwirkung ausgehen. Noch besser erscheint es, wenn sich die Hände oberhalb der Taille befinden. Sich darunter bewegende Handgesten können leicht als arrogant oder abschätzig empfunden werden. Die Hände in den Hosentaschen zu vergraben, setzt hingegen negative Wahrnehmungen beim Gegenüber frei.
Auch der Händedruck selbst bewirkt eine Bandbreite von Empfindungen beim Gegenüber. Immerhin handelt es sich hierbei um einen direkten Körperkontakt, auch wenn dieser auf dem Festlandeuropa durchaus zur gängigen Gesellschaftsform gehört. Zwar ist ein fester Händedruck Zeichen von Entschlossenheit und Dynamik, übertreibt man den kraftvollen Händedruck jedoch, wandelt sich die Gestik schnell in ein Signal von Rücksichtslosigkeit, Konkurrenz oder Angeberei. Ein eindeutig lascher oder zu sanfter Händedruck, möglicherweise verbunden mit feuchten Händen, vermittelt Unsicherheit und Angst. Ein fester, aber nicht übertriebener Händedruck erscheint das ideale Mittelmaß zu sein. Gleichwohl muss man immer auch berücksichtigen, wer einem die Hand gibt. Bei unterschiedlichen Geschlechterpersonen ist ohnehin Rücksicht auf das andere Geschlecht zu nehmen. Das gleiche gilt für deutlich jüngere oder ältere Personen.
Es ist nicht allein entscheidend, welche Signale gesendet werden, sondern welche Signale auf welche Weise aufgenommen werden, wobei die Absicht und Motivation des Senders ebenfalls eine mit entscheidende Rolle spielen. Insbesondere bei der gestischen Verhaltensweisen sind die Fehldeutungen der vermeintlich gesendeten Signale auffallend hoch. Denn schließlich können wir die primären Gesten beeinflussen und dementsprechend zielgerichtet einsetzen. So setzen Menschen auf Beerdigungen ein trauriges Gesicht auf, auch wenn sie den Verstorbenen nicht wirklich betrauern. Einem alten Bekannten setzen viele Menschen gegenüber ein freundliches Gesicht auf, auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschen, als diesem Menschen aus dem Weg zu gehen.

Unterschiedliche Gesten des Lächelns
Zunächst ist das Lächeln eine Gestik der Freude oder der Zuversicht. Leider dient das Lächeln jedoch genauso der Vertuschung oder dem Blenden, um Sympathien zu gewinnen, die tatsächlich aber eher dem Eigennutz dienen sollen. Lächeln kann auch ein Verlegenheitsausdruck sein, wenn zum Beispiel Ihr Gesprächspartner um eine Antwort ringt, die ihm oder ihr unangenehm ist. Insoweit ist es wichtig, dass Sie das Lächeln nicht immer nur als positives Signal bewerten, dass sich Ihr Gegenüber wohl fühlt. Mit entsprechender Aufmerksamkeit kann man meistens zu unterscheiden lernen, wann ein Lächeln nur aufgesetzt ist und wann es dem inneren Zustand des Gegenübers tatsächlich entspricht.

  • Ein stereotypes Dauerlächeln wirkt eher künstlich und selbstgefällig.
  • Die gestische Steigerung eines übertriebenen Lächelns, bei dem die Zähne deutlich sichtbar sind, deutet auf die mühsame Selbstbeherrschung des Lächelnden hin. Kein Wunder, dass diese Art des Lächelns auch „Piranha-Lächeln“ genannt wird. Von bewusst eingesetzter Oberflächlichkeit zeugt ein solches „Piranha-Lächeln“ insbesondere dann, wenn es mit einem aufgesetzten Wortschwall begleitet wird, wie „Ach, wie schön, dass ich endlich die Gelegenheit habe, mit Ihnen darüber zu reden.“
  • Ein gequältes und kaum sichtbares Lächeln wirkt bemüht, unsicher, aber ebenso gut ironisch, schadenfroh oder überheblich.
  • Je angedeuteter ein Lächeln eingesetzt wird, desto eher signalisiert es Ironie, Schadenfreude, auch Zynismus oder Arroganz.
  • Ein authentisches Lachen, als Steigerung des Lächelns, ist vor allem dann auszumachen, wenn sich der Mund beim Lachen öffnet und von hochgezogenen Lippen, Wangen und Augenfältchen begleitet wird.



1 „Black Power“ ist eine amerikanische Bürgerrechtsbewegung bzw. deren Slogan. Der Bürgerrechtler Stokely Carmichael prägte den Begriff auf einer Demonstration in Jackson, USA. Die Bewegung des „Black Power“ wurde jedoch auch von Teilen der schwarzen Bevölkerung kritisiert, da sie zur Gewalt aufrief und sich deutlich und bewusst von der weißen Bevölkerung abgrenzte.

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