Freitag, 26. März 2010

DDR: Die Entwicklung bis in die 70er Jahre

Die DDR bis 1973
Die letzten Jahre der Ära Ulbricht und die ersten Jahre unter Honecker sind für die DDR eine Zeit der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung. Der SED gelingt es, ihr Regime zu festigen. Die neue Verfassung von 1968 bringt den Führungsanspruch der SED deutlich zum Ausdruck und beschreibt die tatsächlichen Machtverhältnisse klarer als die Verfassung von 1949. Darüber hinaus betont die neue Verfassung auch die staatliche Eigenständigkeit der DDR, die als "sozialistischer Staat deutscher Nation" bezeichnet wird. Die SED grenzt sich damit bewusst von der westdeutschen Politik ab, die an dem Ziel der Wiedervereinigung festhält.
Eigene Wege beschreitet die DDR auch mit dem "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR", das die einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft aufkündigt. Die SED-These von der Entwicklung einer eigenständigen sozialistischen Nation in der DDR wird jedoch von der Bundesrepublik abgelehnt. Der besonders von Ulbricht vorangetriebene Abgrenzungskurs der DDR steht jedoch mehr und mehr den Bemühungen der UdSSR um Entspannung im Wege. Als Ulbricht zu Beginn der 70er Jahre auch versucht, die neue Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition zu blockieren, wird er im Mai 1971 abgelöst.
Der Beginn der Ära Honecker 1971 markiert einen neuen Abschnitt in der DDR-Geschichte. Unter Honecker fügt sich die SED wieder bedingungslos dem sowjetischen Führungsanspruch und bemüht sich, das "materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes" zu erhöhen. Der VIII. Parteitag der SED beschließt im Juni 1971 die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" und stellt neue Sozialleistungen in Aussicht. Trotz wirtschaftlicher Erfolge bleiben jedoch der Lebensstandard und die Qualität der Produkte in der DDR weit hinter dem westdeutschen Niveau zurück.
Der Anstieg der Weltmarktpreise in den 70er Jahren belastet die Wirtschaft der DDR schwer. Besonders die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Westen werden immer drückender. Mit der Einrichtung eines Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) im Ministerium für Außenhandel versucht die DDR, der wachsenden Auslandsverschuldung zu begegnen. Doch selbst die zum Teil dubiosen Geschäfte der international tätigen Kommerziellen Koordinierung beenden die chronische Devisennot der DDR nicht.
Erstmals seit dem Mauerbau dürfen West-Berliner wieder ihre Verwandten im Osten besuchen. Neue Akzente in der Ostpolitik versucht auch die Große Koalition zu setzen. 1967/68 wird die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Jugoslawien und Rumänien vereinbart.
Die Absicht, der Westintegration nun endlich auch Fortschritte im Osten folgen zu lassen, bildet die Grundlage der sozial-liberalen Koalition. Bundeskanzler Willy Brandt und Außenminister Walter Scheel wollen die Bonner Außenpolitik an die internationale Entspannung anpassen sowie die zwischen beiden deutschen Staaten entstandenen Brüche abbauen. Deshalb geben sie gemäß dem von Brandts deutschlandpolitischem Berater Egon Bahr bereits 1963 entwickelten Konzept "Wandel durch Annäherung" den Alleinvertretungsanspruch auf und erkennen die Existenz der DDR an. Daraufhin finden in Erfurt und Kassel 1970 erstmals innerdeutsche Gipfeltreffen statt.
Bereits kurz nach dem Amtsantritt der Regierung Brandt nehmen Egon Bahr, nunmehr Staatssekretär im Bundeskanzleramt, und der sowjetische Außenminister, Andrej Gromyko (1909-1989), erste Sondierungsgespräche über ein Gewaltverzichtsabkommen auf. Die im August bzw. Dezember 1970 unterzeichneten Verträge von Moskau und Warschau treffen auf den heftigen Widerstand der CDU/CSU-Opposition im Bundestag. Aufgrund der sehr knappen Mehrheitsverhältnisse versucht die Union, die Regierung Brandt/Scheel noch vor der Abstimmung über die Ostverträge durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen. Obwohl dieser Versuch unter letztlich nicht ganz geklärten Umständen scheitert, hat nun auch die sozial-liberale Koalition ihre Mehrheit verloren. Es kommt deshalb zu vorgezogenen Neuwahlen. Aus der Bundestagswahl am 19. November 1972 gehen SPD und F.D.P. gestärkt hervor.
Nachdem Bonn in den Verträgen von Moskau und Warschau den Status quo in Europa akzeptiert hat, muss die UdSSR in dem Viermächte-Abkommen über Berlin die Lage in und um die geteilte Stadt anerkennen. Das im September 1971 unterzeichnete Abkommen bildet auch den Rahmen für die weiteren deutsch-deutschen Verhandlungen. Mit dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 nehmen die Bundesrepublik Deutschland und die DDR offizielle Beziehungen zueinander auf. Die Bundesrepublik umgeht jedoch die völkerrechtliche Anerkennung des SED-Staates. Obwohl damit eine völlige Normalisierung des deutsch-deutschen Verhältnisses nicht gelingt, werden die Beziehungen doch zunehmend unverkrampfter. Den Abschluss der "neuen Ostpolitik" bildet der Prager Vertrag vom 11. Dezember 1973.

1 Kommentar:

  1. Zur wirtschaftlichen Lage der DDR schreibt Karl Mai (auf der Basis von Zahlen, die leicht zu überprüfen sind, falls Sie Zweifel daran haben sollten) (ebenfalls nachzulesen unter: Mai, Karl, Für eine objektive Aufarbeitung der DDR-Geschichte: War die DDR bankrott und total marode? – Fiktion und Wirklichkeit 1989, 2006 http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m2706b.pdf ): „Die langfristigen DDR-Wachstumsraten brauchen den Vergleich mit Westdeutschland nicht zu scheuen, wie neuere Untersuchungsergebnisse zeigen: Zwischen 1970 und 1989 stieg das BIP je Einwohner in der DDR auf 188,9 % und in der alten BRD auf 152,0 %. Ähnliches gilt für eine Unterteilung dieser Zeitspanne: Von 1970 bis 1980 wuchs das BIP je Einwohner in der DDR auf 147,9 %, in der alten BRD auf 129,1 %, also auch schon schneller. Und von 1980 bis 1989 stieg das BIP je Einwohner in der DDR auf 127,7 % und in der alten BRD auf 117,7 %, also im letzten Jahrzehnt insgesamt ebenfalls schneller. Dies ist das generelle Ergebnis der enormen Anstrengungen der DDR zur wirtschaftlichen Entwicklung, das mit durchschnittlich 3,3 % zu höheren jährlichen Wachstumsraten gegenüber der BRD in diesem ganzen zwanzigjährigen Zeitraum führte. Vergleichsweise stieg nach jüngster Mitteilung des Statistischen Bundesamtes ‚das Bruttoinlandsprodukt für das frühere Bundesgebiet in der Zeit von 1970 bis 1980 um durchschnittlich 2,9 % pro Jahr und im Zeitraum 1980 bis 1991 um durchschnittlich 2,6 % pro Jahr.‘ [...] Dieser Fakt beim BIP je Einwohner zeigt ab 1970 eine ungebrochen wachsende Leistungskraft der DDR, die das Bild von der „maroden DDR“ deutlich aufhellt.“ Nebenbei gesagt: Die DDR war bis zum Schluss erfolgreicher Exporteur von Schiffen, Maschinen, Textilien, Haushaltgeräten (in der BRD über den Quelle-Katalog unter der Bezeichnung „Privileg“ verkauft), Kühlschränken, Spiegelreflexkameras (Marke „Pentacon“), Möbel (im Westen über IKEA verkauft) und anderer Güter.

    Zu den Brutto-Anlageinvestitionen heißt es: „Im Vergleich zur BRD, die in diesem Zeitraum (1985 bis 1989) ihre Brutto-Investitionen auf 126,0 % erhöhte, ist dieser DDR-Anstieg auf 144 % - jeweils laufende Preisbasis – eine mindestens ebenbürtige bzw. gleichwertige Leistung, die nicht bei einem insgesamt krisenhaften Endzustand der DDR-Wirtschaft erreichbar gewesen wäre.“ Und: „Das letzte Jahrfünft der DDR ist also vergleichsweise zur BRD keineswegs durch stagnierende Brutto-Investitionen gekennzeichnet […]. Die Investitionsquote war im letzten Jahrzehnt der DDR höher als in der BRD und zeugt von den Anstrengungen der DDR-Wirtschaft. Die absolute Höhe der Brutto-Investitionen betrug 1970 29,7 Mrd. Euro, 1975 33,7 Mrd. Euro, 1980 40,4 Mrd. Euro, 1985 41,0 Mrd. Euro und 1989 47,1 (!) Mrd. Euro (auf einheitlicher Preisbasis 1995). Diese Daten zeigen ebenfalls einen Anstieg der absoluten Brutto-Investitionen ab 1980 bis auf 116,6 % allein für das letzte DDR-Jahrzehnt.[…] Die westdeutsche Netto-Investitionsquote am VE war 1989 mit 9,8 % (!) sogar noch bedeutend niedriger [...].“

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