Samstag, 9. Januar 2010

DDR: Die Zeit um Erich Honecker

Honeckers Kurskorrekturen (1971-1980)

Die mit dem Abtritt Ulbrichts verbundenen einschneidenden Veränderungen auf ideologischem und politischem Gebiet traten im Gefolge des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971) offen zutage. In personalpolitischer Hinsicht allerdings herrschte das Prinzip der Kontinuität.
E. Honecker, der das Amt des Ersten Sekretärs von Ulbricht übernahm, war schon in dem vorangegangenen Jahrzehnt dessen "Kronprinz" gewesen. Es kam zu keinen dramatischen Umbesetzungen in den Führungsgremien, der Einfluss der Technokraten wurde jedoch zurückgedrängt. Der Primat der Politik gegenüber der Technik und der Ideologie gegenüber der Wissenschaft wurde eindeutig wiederhergestellt.
Die Partei- und Staatsführung beschwor die "ewige Freundschaft" mit der KPdSU und der UdSSR. Diese Kurskorrekturen gegenüber der Spätphase Ulbrichts, zu denen auch die Aufgabe jeden Bezugs auf eine gesamt-"deutsche Nation" gehörte, wurden im Oktober 1974 in einer Änderung der Verfassung und im Mai 1976 in einem neuen Parteiprogramm festgeschrieben.
In der Zwischenzeit hatte die DDR unter Führung Honeckers jenes existenzielle Ziel erreicht, um das der ostdeutsche Staat unter Ulbricht über Jahrzehnte fast ohne Erfolg kämpfte: die weltweite völkerrechtliche Anerkennung. Nachdem die beiden deutschen Staaten im Dezember 1972 durch den Grundlagenvertrag zu einem ersten, wenn auch fragilen "modus vivendi" gefunden hatten, wurden sie beide im September 1973 in die Vereinten Nationen aufgenommen.
Bis Ende 1974 nahmen fast alle Staaten der Welt diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Der zwischendeutsche Ausgleich und die internationale Anerkennung werteten die DDR auf, brachten aber auch Pflichten und Probleme mit sich. Auf internationalem Gebiet begab sich die DDR in das komplizierte Konkurrenz- und Konfliktverhältnis aller Staaten und musste internationalen Abmachungen, wie denen der Konferenz von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (August 1975), zu genügen suchen.
In zwischendeutscher Hinsicht war sie mit den Begleiterscheinungen der wachsenden Zahl von westdeutschen Besuchern und dem Anspruch ihrer Bevölkerung, aus der staatlichen Anerkennung individuellen Nutzen zu ziehen, konfrontiert. Die Führung der DDR suchte diese Konsequenzen durch eine ideologische Abgrenzung gegenüber dem Westen und seinen Ideen sowie entsprechende Unterdrückungsmaßnahmen im eigenen Lande zu kompensieren. Sie war bemüht, gerade im Kontrast zum östlichen Nachbarn Polen, sich als Hort der Kontinuität und Stabilität darzustellen. Diesem Ziel diente vor allem der Versuch, die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" zu realisieren, wie es der IX. Parteitag der SED 1976 postulierte.
Die Folgen der internationalen Energie- und Rohstoffkrise waren in der DDR, aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Ressourcenausstattung besonders spürbar. Diesen verschlechterten Rahmenbedingungen zum Trotz musste die DDR in den 70er Jahren versuchen, genügend Produktivität sowohl für die technische Innovation als auch für die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ihrer Bürger bereitzustellen.
In der Konsum- und Sozialpolitik hat die SED seit dem Bau der Mauer (1961) und verstärkt seit Beginn der "Ära Honecker" das zentrale Instrument zur Stabilisierung und Legitimierung ihrer Herrschaft erkannt, doch die – auch durch den innerdeutschen Vergleich – wachsenden Ansprüche der DDR-Bürger schienen den Möglichkeiten ihrer Befriedigung davonzulaufen. Der Erfolg bzw. die Vermeidung des Misserfolges auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet hatte immense Bedeutung für die Stabilität eines Regimes, das weitgehend der direkten Zustimmung seiner Bürger entbehren musste.

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