Freitag, 26. März 2010

DDR: Mauerbau und Mauerfall

Vom Mauerbau bis zum Mauerfall
Am Sonntag, den 13. August 1961, wird unter Aufsicht von Volkspolizei und Nationaler Volksarmee (NVA) die Sektorengrenze nach West-Berlin hermetisch abgeriegelt. Überall werden Straßen aufgerissen, Panzersperren und Stacheldrahtverhaue errichtet. Die Mauer entsteht. Sie unterbricht die in Generationen gewachsenen Verbindungen zwischen beiden Teilen der Stadt. Die Bevölkerung in beiden Teilen Deutschlands zeigt sich empört und schockiert. Aufmerksame Beobachter sind allerdings weniger überrascht: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bildet Berlin einen der Hauptbrennpunkte des Ost-West-Konfliktes.
Erschütternde Szenen spielen sich in den Tagen des Mauerbaus entlang der Sektorengrenze ab. Die Sperranlage schneidet über 50.000 Ost-Berliner von ihren Arbeitsplätzen im Westen ab. Die DDR-Regierung verringert die Zahl der Grenzübergangsstellen zwischen beiden Stadthälften auf sieben. Das Gesamtberliner Verkehrsnetz wird über Nacht an der Sektorengrenze zerschnitten. Das Brandenburger Tor - unmittelbar an der Mauer gelegen - ist seit dem 13. August 1961 das Symbol der deutschen Teilung.
Im Auftrag von Walter Ulbricht war der Mauerbau unter völliger Geheimhaltung durch den für Sicherheitsfragen zuständigen Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Erich Honecker, vorbereitet worden. Noch in seinen Memoiren hebt Honecker den generalstabsmäßigen Verlauf des Mauerbaus hervor. Die Erlaubnis zur Einmauerung West-Berlins hatte die DDR-Regierung zuvor durch die UdSSR erhalten. Die in der DDR stationierten sowjetischen Truppen helfen dabei mit, die Errichtung des "antifaschistischen Schutzwalls" zu sichern.

Sturz Honeckers und der Weg zur Einheit
Als Nachfolger des zurückgetretenen Erich Honecker wählt das Zentralkomitee der SED am 19. Oktober Egon Krenz zum Generalsekretär. Die Volkskammer wählt ihn am 24. Oktober zum Staatsratsvorsitzenden. Die Bürger sind enttäuscht, denn er gilt als "Kronprinz" Honeckers. Immer mehr Menschen demonstrieren und fordern politische Reformen. Am 4. November 1989 versammeln sich mehr als 500.000 Demonstranten zur Kundgebung auf dem Alexanderplatz. Nur vier Tage später tritt das Politbüro geschlossen zurück. Durch die anhaltende Massenausreise und deren Folgen gerät die DDR-Regierung weiter unter Druck. Am Abend des 9. November verkündet Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer internationalen Pressekonferenz überraschend einschneidende Reiseerleichterungen für Privatreisende, die "sofort, unverzüglich" in Kraft treten. Noch in derselben Nacht strömen Tausende an die Grenze nach West-Berlin, wo die Grenzsoldaten ohne eindeutigen Befehl zahlreiche Übergänge öffnen.
Die Maueröffnung beschleunigt den Machtzerfall der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Am 13. November kündigt die neue Regierung unter Ministerpräsident Modrow tief greifende Reformen und eine Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik an. Aus dem bisherigen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wird nun das Amt für Nationale Sicherheit.
Am 1. Dezember beschließt die Volkskammer, den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung zu streichen, und am 3. Dezember tritt unter dem Druck der eigenen Partei das neu gewählte SED-Politbüro mit Generalsekretär Krenz zurück. Die SED beschließt auf einem Sonderparteitag am 8. Dezember, mit der stalinistischen Vergangenheit zu brechen. Die Generalstaatsanwaltschaft leitet wegen Amtsmissbrauchs und Korruption Ermittlungsverfahren gegen ehemalige SED-Spitzenpolitiker wie Erich Honecker und Erich Mielke ein.
Am Zentralen Runden Tisch verhandeln seit dem 7. Dezember Repräsentanten der Bürgerbewegungen mit Vertretern der "alten Kräfte" über eine demokratische Umgestaltung der DDR. Im Dezember 1989 wird jedoch von immer mehr Demonstranten die Deutsche Einheit gefordert. Aus der ursprünglichen Parole "Wir sind das Volk!" wird immer häufiger "Wir sind ein Volk!". Doch gibt es auf Seiten der Bürgerbewegungen und Intellektuellen auch kritische Stimmen, die vor einer Wiedervereinigung warnen und für die Eigenständigkeit der DDR plädieren. Die Gegner der Einheit werden jedoch während der Demonstrationen ausgepfiffen und ziehen sich zurück. Die Mehrheit der Bevölkerung fordert eine rasche Wiedervereinigung.

Der Fall der Mauer
Nachdem Ungarn seine Grenzanlagen zu Österreich ab Mai 1989 abbaut und am 11. September vollständig öffnet, kommt es zu wiederholten Ausreisewellen von DDR-Bürgern. Diese "Abstimmung mit den Füßen" über Ungarn und später auch die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) führt im Herbst 1989 zu Produktionsausfällen in der Wirtschaft. Die Regierung der CSSR droht, ihre Grenze zur DDR zu schließen. Gleichzeitig gerät die DDR-Regierung durch die Proteste und Demonstrationen der "Hierbleiber" weiter unter Druck. Um einen Zusammenbruch der DDR zu vermeiden, entschließt sich die Regierung zur Reformierung des Reisegesetzes, die den Fall der Mauer einleitet.
9. November 1989. Um 18.57 Uhr stellt sich Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, auf einer internationalen Pressekonferenz den Journalisten und verliest vor laufenden Kameras stockend "von einem Zettel, den mir jemand zugesteckt hat", wie er später bekennt, einen Beschluss des Ministerrats, den dieser wenige Minuten zuvor gefasst habe: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu Berlin (West) erfolgen." Auf eine Nachfrage erklärt Schabowski, dies trete nach seiner Kenntnis "sofort, unverzüglich" in Kraft.
Noch in der Nacht eilen Tausende an die Grenze nach West-Berlin. Ohne Befehl öffnen Grenzsoldaten die Übergänge. In einem Freudentaumel ohnegleichen fallen sich fremde Menschen in die Arme und feiern gemeinsam spontan die Öffnung der Mauer. Am Wochenende setzt sich eine Menschenflut von mehreren Millionen DDR-Bürgern in Bewegung. In endlosen "Trabi-" und "Wartburg"-Schlangen fahren sie in die Bundesrepublik, besuchen Verwandte, besichtigen Städte und Landschaften, sie durchstreifen die "Einkaufsparadiese" mit 100 D-Mark "Begrüßungsgeld" aus der Bundesrepublik in der Tasche.
Zerfall der Macht

Nach der Kundgebung auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 und der Maueröffnung am 9. November überschlagen sich die Ereignisse. Die alten Machtstrukturen zerfallen rasch, Demonstranten fordern die deutsche Einheit, Mitglieder der Bürgerrechtsbewegungen bemühen sich um eine demokratische Umgestaltung der DDR. Am 13. November kommt es zu einer Wende in der Volkskammer. Diese wählt - zum ersten Mal in geheimer Abstimmung - einen neuen Präsidenten, den Vorsitzenden der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands, Günther Maleuda. Ministerpräsident wird der Dresdner SED-Bezirkssekretär Hans Modrow.

Modrow kündigt in seiner Regierungserklärung tief greifende Reformen und eine Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik an. "Gefährlichen Spekulationen über eine Wiedervereinigung" erteilt er jedoch eine deutliche Absage. Am 26. November wenden sich namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Kunst und Kultur mit dem Aufruf "Für unser Land" an die Bevölkerung. Sie treten für eine eigenständige DDR ein, die eine "sozialistische Alternative zur Bundesrepublik" bilden soll. Ende November werden jedoch bei Demonstrationen erste Forderungen nach einer Wiedervereinigung laut.

Im Bundestag legt Bundeskanzler Helmut Kohl am 28. November überraschend sein 10-Punkte-Programm vor, das als konkrete Zwischenstufe auf dem Weg zur Einheit eine Konföderation vorsieht. Willy Brandts Satz "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört" wird zu einem geflügelten Wort.

In wenigen Wochen zerrinnt die Macht der SED: Am 1. Dezember streicht die Volkskammer den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung. In einer Erklärung an die Tschechoslowakei entschuldigt sie sich für die Teilnahme der Nationalen Volksarmee an der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Unter dem Druck der Parteibasis tritt am 3. Dezember das Politbüro der SED unter der Führung von Egon Krenz zurück. Auf einem Sonderparteitag am 8./9. Dezember verkünden die SED-Delegierten, mit der stalinistischen Vergangenheit brechen zu wollen und unter dem Namen SED-PDS als "Partei des Demokratischen Sozialismus" weiterzuarbeiten. Der Rechtsanwalt Gregor Gysi wird zum neuen Vorsitzenden gewählt. Gegen Erich Honecker, Erich Mielke, Willi Stoph und andere DDR-Führungskräfte werden von der DDR-Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauch und Korruption eingeleitet.
Forderung nach Einheit

Obgleich bei den Leipziger Montagsdemonstrationen und auf Massenkundgebungen in vielen anderen Städten Ende November der Ruf nach demokratischen Reformen in der DDR noch dominiert, werden erste Forderungen nach einer Wiedervereinigung laut. "Deutschland-einig Vaterland", "Keine Experimente mehr, Wiedervereinigung jetzt" steht auf den Transparenten der Demonstranten. Bei der Montagsdemonstration am 11. Dezember übertönt zwar der neue Slogan "Wir sind ein Volk" die ursprüngliche Parole "Wir sind das Volk", doch gibt es auch Transparente mit Parolen wie "Wir wollen keinen Kohl auf dem sauberen Mittagstisch" oder Slogans wie "Kein Ausverkauf der DDR" und "Wir lassen uns nicht BRDigen".

Die Gegensätze zwischen Befürwortern und Gegnern der Deutschen Einheit werden auf den Demonstrationen immer deutlicher. Viele Anhänger der oppositionellen Bürgerbewegungen und Intellektuelle, die die Eigenständigkeit der DDR fordern, ziehen sich zurück. Sie warnen vor einem wirtschaftlichen Ausverkauf der DDR, während die Mehrheit der Bevölkerung eine rasche Wiedervereinigung fordert. Die Demonstrationen verlieren mehr und mehr ihre ursprüngliche Bedeutung, weil die vorrangigen Ziele - politische Reformen und freie Wahlen - erkämpft wurden. Sie werden im Frühjahr 1990 zu Foren für Wahlkampfreden mit Blick auf die bevorstehenden Volkskammerwahlen. Am 13. März 1990 nehmen an der letzten Montagsdemonstration in Leipzig nur noch 30.000 - 50.000 Menschen teil.

Am 19. Dezember 1989 treffen sich Bundeskanzler Helmut Kohl und Ministerpräsident Hans Modrow zu Gesprächen in Dresden. Beide erklären sich bereit, einen "gemeinsamen Vertrag über Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft" abzuschließen. Bei einer Großkundgebung vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche dankt Helmut Kohl für die "friedliche Revolution in der DDR" und nennt die deutsche Einheit als das Ziel seiner Politik, "wenn die geschichtliche Stunde es zulässt".

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