Sonntag, 10. Januar 2010

DDR: Planwirtschaft

Die Planwirtschaft im realexistierenden Sozialismus:


Der Begriff Planwirtschaft beschreibt eine Art des Wirtschaftens, bei der im Voraus gemeinsam prognostiziert wird, welche summierten Bedürfnisse innerhalb der planenden Wirtschaftseinheit bestehen oder zu erwarten sind, was zur Deckung dieser Bedürfnisse an Produktion nötig ist und wie diese sinnvollerweise organisiert wird.

Über die Art und Weise, wie die Vorausplanung von Bedarf und Produktion stattfindet, sagt der Begriff Planwirtschaft selbst noch nichts. Die Planwirtschaft steht damit im Gegensatz zu Wirtschaftssystemen, in denen verschiedene Wirtschaftsteilnehmer ohne vorherige Absprache in der Erwartung etwas produzieren, dass die produzierten Waren oder angebotenen Dienstleistungen auf den Bedarf eines anderen treffen und daher - in der Regel vermittelt über Geld als Tauschgegenstand - getauscht werden können, um so mit Hilfe der von anderen produzierten Waren und Dienstleistungen eigene Bedürfnisse decken zu können.

Eine solche Vorausplanung von Bedarf und Produktion findet ganz selbstverständlich sowohl in "vorzivilisierten" Gesellschaften (Sippen, Dorfgemeinschaften, ...) als auch im Innenverhältnis faktisch jedes Unternehmens statt; letzteres deshalb, weil ein firmeninterner ungeplanter Tausch (also eine interne Marktwirtschaft) zur Produktion zahlreicher letztlich nicht nachgefragter Produkte und Dienstleistungen führen würde, während gleichzeitig mit einer mangelnden Deckung tatsächlichen Bedarfs zu rechnen wäre – eben wegen der fehlenden gemeinsamen Planung. Eine funktionierende Planung erhöht somit die Effizienz des Wirtschaftens.

Wegen dieses Effizienzvorteils funktionierender Planung wurde — z.B. von Platon in dessen Staatsentwürfen, von Thomas Morus alias Thomas More in dessen Utopia, von Jean-Jacques Rousseau in dessen auf Gesellschaftsvertrag basierenden Staatsentwürfen oder von Karl Marx bei dessen (von ihm selbst nur angedeuteten) Entwürfen einer kommunistischen Gesellschaft — immer wieder vorgeschlagen, auch größere Gesellschaften/Staaten oder gar die "Weltgesellschaft" als ganzes planwirtschaftlich zu organisieren, also auch deren gemeinsamen Bedarf, die Produktion und die Organisation und Aufteilung des ganzen im Voraus zu prognostizieren, wobei diese Vorausplanung entweder (etwa bei Karl Marx) ein gemeinsamer Akt aller Gesellschaftsteilnehmer oder aber (etwa bei Platon) die Aufgabe staatlicher Institutionen bzw. speziell verantwortlicher Personen sein sollte.

Ein typisches Beispiel für eine zentral verwaltete Wirtschaftsordnung war die Zentralverwaltungswirtschaft der UdSSR und anderer Staaten des so genannten Realsozialismus. Wesentliche Merkmale der Wirtschaft dieser Staaten waren die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die zentrale Planung des Wirtschaftsprozesses, die Festlegung von Preisen und Löhnen und ein stabiles Außenhandelsmonopol. Obgleich diese Wirtschaftsordnung auf einer sich marxistisch-leninistisch nennenden Ideologie fußte, verwirklicht die Zentralverwaltungswirtschaft — im Sinne des von Lenin am Beispiel der deutschen SPD beschriebenen Demokratischen Zentralismus — statt der marxschen gemeinsamen Planung freier Gesellschaftssubjekte eine staatlich institutionalisierte Planung durch besondere Funktionäre, wie sie sich etwa auch bei Platon findet.

Diese staatlich institutionalisierte Zentralverwaltungswirtschaft hat sich in weiten Teilen als höchst ineffizient erwiesen. Dies wurde vielfach auch theoretisch untermauert, etwa durch Ludwig von Mises. Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass sich die Nachfrage der Verbraucher nach Waren und Dienstleistungen in der Planwirtschaft nicht verbindlich festlegen und nur abschätzen lässt.

Wie effizient anders organisierte Vorausplanung von Bedarf und Produktion innerhalb großer Gesellschaften sein kann, bleibt ebenso umstritten wie die Frage, inwieweit Planung innerhalb großer Konzerne ihren Effizienzvorteil gegenüber einem internem Markt tatsächlich ausspielen kann. Zudem bleibt offen, inwieweit die Vorteile der Vorausplanung (Vermeidung von Produktion am tatsächlichen Bedarf vorbei) und des Marktes (Wettbewerb u.a. als Motivator zur Steigerung der inneren Effizienz der jeweiligen Marktteilnehmer) sich verbinden lassen, etwa in Form einer Wirtschaft mit Vorausplanung und Wettbewerb, jedoch unter weitgehender Vermeidung von planungsfreiem Warentausch.

Letztlich bleibt es ein Ergebnis der politischen Kräfte-Verhältnisse (und keine Frage von Sachzwängen), ob die Versorgungsbedürfnisse der Bevölkerung oder die sich verselbständigenden Profit- und Einflussmaximierungstendenzen der Kapital-Seite zum obersten Prinzip für die Organisation des Wirtschaftslebens erhoben werden.

4 Kommentare:

  1. Ein paar Ergänzungen:

    Teil 1:

    Sie schreiben: „Die Planwirtschaft steht damit im Gegensatz zu Wirtschaftssystemen, in denen verschiedene Wirtschaftsteilnehmer ohne vorherige Absprache in der Erwartung etwas produzieren, dass die produzierten Waren oder angebotenen Dienstleistungen auf den Bedarf eines anderen treffen und daher - in der Regel vermittelt über Geld als Tauschgegenstand - getauscht werden können, um so mit Hilfe der von anderen produzierten Waren und Dienstleistungen eigene Bedürfnisse decken zu können.“
    Dazu ist Folgendes anzumerken: a) Geld ist nicht Tauschgegenstand, sondern Tauschmittel - der Tauschgegenstand ist die jeweilige Ware; b) die entscheidende Vermittlungsform ist nicht das Geld, sondern der Markt! Geld gibt es auch in einer sozialistischen Planwirtschaft noch (also solange der Kommunismus noch nicht erreicht ist), da es eben das allgemeine Tauschmittel ist. Wie gesagt, das Entscheidende an der „Marktwirtschaft“ (also am Kapitalismus, wie man dieses Gesellschaftssystem zutreffender bezeichnet) ist die Koordination des Warenaustauschs über den Markt – weshalb Angebot und zahlungskräftige Nachfrage ständig auseinanderfallen und eine generelle Anarchie, im Gegensatz zu einer koordinierten Planwirtschaft, herrscht; c) es sind nicht irgendwelche „Wirtschaftsteilnehmer“ (schließlich müssen alle Menschen zwangsweise an dieser Wirtschaftsordnung teilnehmen, um überleben zu können), sondern es sind Kapitaleigentümer, die etwas produzieren lassen und es sind die „unmittelbaren Produzenten“ (Marx), die mit ihrer Hände Arbeit Waren produzieren, ohne jedoch über ihr eigenes Produkt verfügen zu können, da stets der Kapitalist darüber verfügt (weil er den Eigentumstitel darauf besitzt); d) Waren werden, präziser formuliert, nicht getauscht, um eigene Bedürfnisse befriedigen zu können, sondern die Masse der Lohnabhängigen (sowie Rentner, Arbeitslose u.a.) müssen Geld (ihren Lohn) gegen Waren tauschen, um überhaupt überleben zu können.

    Sie schreiben weiter: „Diese staatlich institutionalisierte Zentralverwaltungswirtschaft hat sich in weiten Teilen als höchst ineffizient erwiesen. Dies wurde vielfach auch theoretisch untermauert, etwa durch Ludwig von Mises. Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass sich die Nachfrage der Verbraucher nach Waren und Dienstleistungen in der Planwirtschaft nicht verbindlich festlegen und nur abschätzen lässt.“ Dazu sei ein längeres Zitat von Helmut Dunkhase erlaubt:

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  2. Teil 2:

    „Mises Behauptung, in einer Naturalwirtschaft könnten keine rational begründeten optimalen Entscheidungen getroffen werden, ist schon 1939 durch die Arbeiten des sowjetischen Mathematikers und Ökonomen Leonid Kantorowitsch widerlegt worden. Ausgehend von Untersuchungen zur optimalen Verwendung verschiedener Maschinentypen in einer Holzfabrik entwickelte er eine Methode, mit der die beste und günstigste Ausnutzung von Ressourcen und Transportnetzen u.a. ohne Rückgriff auf Preise bestimmt werden kann. Das war die Geburtsstunde eines neuen Zweigs der Mathematik, der Linearen Optimierung.
    Daß das Problem der Heterogenität der Arbeit durchaus im Rahmen der Arbeitswerttheorie gelöst werden kann, hat bereits der österreichisch-amerikansiche Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter, der aus anderen Gründen die Arbeitswerttheorie ablehnte, zugestanden. Die in der Ausbildung einer qualifizierten Arbeitskraft geronnene Arbeitszeit ließe sich abschätzen, indem man die Arbeitszeiten der Qualifikateure in ihren unterschiedlichen Qualifikationsstufen auflistet. Diese geronnene Arbeitszeit wird dann im Produktionsprozeß nach und nach auf die Produkte übertragen, wie bei einer Maschine.

    – Komplexität: Um die in den einzelnen Gütern enthaltenen Arbeitszeiten zu berechnen, genügt es, die direkten Arbeitszeiten in allen Produk­tionsstätten zu kennen. Das wissen wir seit Wassily Leontiefs Input-Output-Analyse, deren Ursprünge bis in die Vorbereitungen für den ersten Fünfjahrplan der Sowjetunion zurückgehen. Es läßt sich also ohne Markt und Geld eine ökonomische Rationalität auf der Basis der Arbeitszeitrechnung herstellen. Computertechnik und Rechenverfahren sind heute so weit entwickelt, daß ein disaggregierter Plan für eine gesamte Volkswirtschaft in wenigen Minuten berechnet werden kann.

    – Innovationsfähigkeit: Wie steht es um die Innovationsfähigkeit? Wenn ich morgens meinen Linux-Rechner hochfahre, werden mehrmals in der Woche Aktualisierungen und Verbesserungen angeboten, die ich mit einem Handgriff in meine Distribution übernehmen kann – oder auch nicht. Linux ist im gewissen Sinne ein Produkt antizipierter kommunistischer Produktionsweise. Das ist möglich, weil es als Softwareprodukt keine nennenswerten materiellen Ressourcen verschlingt. Dieses hochkomplexe Produkt entstand und entwickelt sich weiter in kooperativer Arbeit weltweit vernetzter Arbeitsgruppen, wobei die Potentiale des Internet als globales Kommunikationsmittel dienen. Alle arbeiten unentgeltlich und dennoch ehrgeizig, und einen Wettbewerb gibt es auch: den um die beste Desktopumgebung. Linux hat Microsoft schon das Fürchten gelehrt, nicht nur wegen seiner Qualität, sondern auch wegen seiner Arbeitsweise. Vor einigen Jahren fiel bei Microsoft die bisherige Schranke, daß die einzelnen Arbeitsgruppen ihre Codes geheimhalten mußten. Sie mußten einsehen, daß das die Entwicklung hemmt. Linux gehört zu den Open-Source-Produkten, d.h. Produkten mit offengelegtem Quellcode. Einiges ließe sich sogar auf die materielle Produktion übertragen. Denkbar sind z. B. Foren und Wikis, in denen Erfahrungen, Tricks und neue Ideen für Produktionsprozesse wie Produkte ausgetauscht werden können. Allein dieses Beispiel läßt ahnen, welche Produktivkraft durch die kommunistische Produktionsweise freigesetzt werden kann."

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  3. Teil 3:

    "In der Literatur wird zwischen Prozeß- und Produktinnovation unterschieden. Zudem wäre es sinnvoll, drei Aspekte zu unterscheiden: Erzeugt das System starke Anreize für Innovation? Stellt es genügend Mittel für Innovation zur Verfügung? Und erzeugt es hinreichende Mechanismen für die Umsetzung in die Verbesserung der Wohlfahrt? Nach den Erfahrungen mit der Sowjetunion könnte der dritte Punkt der wichtigste sein: Die Sowjetunion hatte gut ausgestattete Forschungs- und Entwicklungsinstitute, die teilweise auch in den Betrieben angesiedelt waren. Der Schwachpunkt lag in der Umsetzung der Innovationen in den Betrieben. Die wichtigsten Gründe dafür waren eine schlecht funktionierende Versorgung mit notwendigen Materialien, übermäßige Schwerpunktlegung auf Militär und Raumfahrt bei gleichzeitiger nahezu vollständiger Abschottung von den Zivilbereichen, das Fehlen paralleler Produktionslinien. Auch hier zeigt sich: Es sind Mängel, die nicht jedem Sozialismus anhaften müssen.

    – Informationsflüsse: Hayeks subjektivistisches Verständnis von Information ist vorwissenschaftlich. Ökonomische Beziehungen gingen schon immer mit objektivierter Information einher, seien es Verträge, Schuldstöcke oder mit dem Abakus unterstützte Rechenvorgänge. Heute sind verstreute Informationen in Datenbanken speicher- und für jeden abrufbar. Natürlich kann kein einzelner Mensch Projekte wie das für den Airbus A380 überblicken; dennoch ist durch Informationsspeicherung und Produktkodierungstechniken unabhängig von den Köpfen der Menschen der Weg jeder Schraube zurückzuverfolgen.
    Hayeks Auffassung des Preissystems als ein Telekommunikationssystem ist in Ordnung. Doch ergibt sich, wenn man den Preisbildungsprozeß als einen Algorithmus formuliert und mit den erforderlichen Schritten bei einer Planwirtschaft vergleicht, daß beim Markt mehr Informationsflüsse nötig sind als beim Plan. Planwirtschaft erweist sich auch hier als effektiver als der Markt.“ (aus: Helmut Dunkhase, Anachronistische Marktkonzepte
    Theorie. Kapitalismusanalysen auf Basis des Mainstreams der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre helfen nicht weiter, wenn es um die Ausarbeitung linker Positionen geht. Es gilt, ein kohärentes marxistisches Projekt zu entwickeln (Teil II und Schluß), in: Junge Welt vom 08.07.2011, S. 10.

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