Samstag, 9. Januar 2010

DDR: Intellektuelle und die Ausbürgerung von W. Biermann

Kritische Intellektuelle

Vor allem die Ausbürgerung des überzeugten Sozialisten, Regimekritikers, Dichters und Liedermachers Wolf Biermann nach einem Konzert in Köln im November 1976 markierte mehr als nur eine bloße Wende in der Kulturpolitik. Ihr folgte die Anordnung permanenten Hausarrests für den bekannten reformkommunistischen Systemkritiker, den Naturwissenschaftler Robert Havemann, der mit Biermann eng befreundet war.
Die Maßnahme erfolgte ohne Rücksicht darauf, dass diese Zwangsausbürgerung notwendigerweise zum deutsch-deutschen Medienereignis werden musste. Ihr eigentlicher Zweck, „Kulturschaffende“ wieder auf linientreuen Kurs zu bringen und Kritik am SED-Staat so weit wie möglich zu unterbinden, zog nicht nur innen- und kulturpolitisch schwere Konflikte nach sich, der die Partei nur mit Mühe Herr wurde.
Sie trug auch zu einem markanten Stimmungsumschwung in der DDR bei. Binnen weniger Jahre führte die Solidarisierung namhafter Autorinnen und Autoren sowie Kunstschaffender mit Biermann zu massiven Gegenmaßnahmen der Partei. So wurden unter anderem Sarah Kirsch und Jurek Becker aus der Partei ausgeschlossen, Jürgen Fuchs, Christian Kunert und Gerulf Pannach wurden in die Bundesrepublik abgeschoben.

Kritisch eingestellte Intellektuelle werteten das Vorgehen der SED zu Recht als Symptom einer allgemeinen politisch-ideologischen Verhärtung, zumal die Kette solcher Vorfälle nicht abriss. Als der Marxist Rudolf Bahro im Frühjahr 1977 sein Buch „Die Alternative“, eine fundierte, systemkritische Analyse des SED-Staates in der Bundesrepublik veröffentlichte, wurde er noch im August desselben Jahres verhaftet und im Juni 1978 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.
Ebensolches Aufsehen erregte die Veröffentlichung eines „Manifests der Opposition“ im westdeutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Januar 1978. Die hier geäußerte massive Kritik am existierenden „Realsozialismus“ in der DDR prophezeite dessen ökonomischen Ruin und forderte eine tatsächlich und nicht nur propagandistisch auf Wiedervereinigung abzielende Politik.

Alle diese Vorgänge illustrierten, dass sich hinter der permanent geschönten Fassade der DDR tief greifende Konflikte in nahezu allen Bereichen verbargen. Auch wenn die breite Masse der Bevölkerung in der DDR häufig nur in unterschiedlichem Maße über derartige Vorfälle im Einzelnen informiert war bzw. dafür Interesse zeigte, wurde jedoch von allen sozialen Schichten sehr wohl registriert, dass sich die Versorgungslage in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wieder spürbar zu verschlechtern begann.


Die Ausbürgerung Biermanns

Biermann hatte mit seinen Liedern die Regierenden bis zum Äußersten gereizt, die beobachten mussten, wie sehr seine Texte die Kritik multiplizierten. Aber auch die Aufmerksamkeit für den Liedermacher im Westen war für die SED-Führung unangenehm.
Lieblingsthema der SED im ideologischen Streit um die Menschenrechte waren die Berufsverbote für Kommunisten in der Bundesrepublik. So traf sie der Vorwurf, selbst Berufsverbote zu verhängen, besonders hart.
Als sich im Frühjahr 1976 eine Initiativgruppe „Freiheit der Meinung – Freiheit der Reise für Wolf Biermann, Wolf Biermann nach Bochum“ an der Bochumer Universität bildete, die mehrere zehntausend Unterschriften sammeln konnte, auch von prominenten Politikern und Publizisten, kam die SED-Führung in eine schwierige Lage. Sie konnte die Einladung Biermanns für Konzerte, die teilweise im Rahmen eines Jugendmonats der IG Metall im November stattfinden sollten, nicht mehr wie in den Vorjahren ignorieren. Sie genehmigte die Reise.

Am 13. November 1976 gab Biermann in der Kölner Sporthalle ein von Rundfunk und Fernsehen übertragenes Konzert. Die Erwartungen an dieses Konzert in Ost und West waren groß. Von Anfang an stand die Frage im Raum, ob Biermann wieder in die DDR zurückreisen durfte, war doch bekannt, dass die SED-Führung ihn loswerden wollte und ihm die Ausreise schon angeboten hatte. Aber es schien unwahrscheinlich, dass sich die SED mit einer Ausweisung, die als eine zynisch gestellte Falle erscheinen musste, vor der Weltöffentlichkeit bloßstellen würde.

Doch die „verdorbenen Greise“ im Politbüro, wie sie Biermann in einem seiner Lieder nannte, entschieden sich für die Ausweisung. Am 17. November verbreitete die DDR-Nachrichtenagentur ADN die Meldung: „Die zuständigen Behörden der DDR haben Wolf Biermann, der 1953 aus Hamburg in die DDR übersiedelte, das Recht auf weiteren Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik entzogen.“

Mit einer solchen Formulierung sollte suggeriert werden, dass der Liedermacher eigentlich ein Westdeutscher sei, dessen Aufenthalt in der DDR nun beendet würde. Am folgenden Tag legte Günter Kertzscher im Neuen Deutschland nach und stempelte ihn als Feind der DDR ab. Doch dies verschlimmerte die Situation nur und ließ die gesamte Affäre zu einer schweren politischen Niederlage der SED werden, da Biermann eine breite Solidarisierung in Ost und West erfuhr.

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