Samstag, 9. Januar 2010

DDR: Devisenbeschaffung und Verschuldung

Das Phänomen der Devisenbeschaffung

Wie sehr die Staatsführung inzwischen unter dem Druck stand, buchstäblich um jeden Preis westliche Devisen hereinzubringen (die zum Teil sogleich wieder für die Schuldentilgung ausgegeben werden mussten), zeigte sich auch am forcierten Ausbau der bereits 1966 gegründeten „Kommerziellen Koordinierung“ (KoKo), die unter der Leitung des Staatssekretärs im Außenhandelsministerium und zugleich Offiziers im besonderen Einsatz (OibE) des MfS, Alexander Schalck-Golodkowski, stand.
Über diese rein marktwirtschaftlich(!) operierende Institution im real existierenden Sozialismus wurden unter anderem Verkäufe von zumeist aus Enteignungen stammenden Antiquitäten und Kunstgegenständen ins westliche Ausland organisiert – ebenso wie von Waffen und Blutkonserven!
Immerhin gelang es mit dieser teilweise illegal und kriminell agierenden Institution bis 1989, insgesamt circa 25 Milliarden DM zu „erwirtschaften“. Der „Verkauf“ politischer Häftlinge an die Bundesrepublik, der in der Honecker-Ära ebenfalls zu einer finanziell keineswegs unbedeutenden Möglichkeit der Devisenbeschaffung ausgebaut wurde, ist in dieser Summe nicht einmal enthalten. Hinzu kamen „legale“ Erlöse in westlicher Hartwährung aus dem innerdeutschen Transithandel und dem Zwangsumtausch für Besucher aus der Bundesrepublik bzw. West-Berlin.

Auch durch den Ausbau der Intershop-Läden und den Genex-Versandhandel, über die westliche Industrieprodukte von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern gegen West-Valuta erworben werden konnten, versuchte das Regime, hochwertige Konsumgüter ins Land zu schaffen und Devisenbestände bei der eigenen Bevölkerung abzuschöpfen. Allerdings führte auch dies zu kontraproduktiven Effekten. Wer „West-Verwandtschaft“ besaß oder sonst irgendwie an „West-Geld“ herankam, war eindeutig besser gestellt als jene DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die nicht über diese Möglichkeiten verfügten.
Zur tatsächlich vorherrschenden inneren Spaltung der angeblich klassenlosen Gesellschaft in der DDR zwischen der Minderheit, die über Macht und Privilegien verfügte und der Mehrheit, die daran keinen Anteil hatte, kam somit eine weitere Teilung: Eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ mit und ohne westliche Devisen.

Zu welchen Absurditäten das Preissystem der DDR tatsächlich führen konnte, hat der damalige Chef der zentralen staatlichen Plankommission, Gerhard Schürer, an zwei Beispielen nach der „Wende“ deutlich gemacht: „Lieferte ein Züchter ein Kaninchen an den Staat, erhielt er dafür 60 Mark. Kaufte er es danach geschlachtet und ausgenommen bei der Staatlichen Handelsorganisation (HO) zurück, kostete es trotz der aufgewendeten Arbeit nur 15 Mark.“ Analoges galt für Hightech-Produkte, etwa für die Entwicklung und Herstellung eines in der DDR selbst produzierten Mikrochips: „Die Selbstkosten für einen Chip betrugen 536 Mark. Der Verkaufspreis war in der DDR auf 16 Mark festgelegt.“

Hohe Verschuldung
Eine grundlegende Änderung der sich zuspitzenden Wirtschaftsmisere war aber kaum möglich. Zum einen gelang es der DDR immer weniger, hochwertige Industriegüter herzustellen und in den „Nichtsozialistischen Wirtschaftsbereich“ zu exportieren; zum anderen war sie aufgrund vielfältiger und meist langfristiger ökonomischer Vertragsverpflichtungen fest in den „Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW) eingebunden. Als die Sowjetunion aufgrund massiver eigener ökonomischer Schwierigkeiten im Jahre 1981 ihre Erdöllieferungen von jährlich 19 auf 17 Millionen Tonnen reduzierte, verringerte sich dadurch auch die Möglichkeit der DDR, durch Veredelung von Rohölprodukten westliche Devisen zu erwirtschaften, dramatisch.
Honecker war sich der kritischen wirtschaftlichen wie politischen Lage voll bewusst, als er bei Breschnew anfragen ließ, „ob es zwei Millionen Tonnen Erdöl wert sind, die DDR zu destabilisieren“? Doch die Sowjetunion beließ es bei dieser Entscheidung.

Nur ein Jahr später reagierte die Bank für internationalen Zahlungsausgleich, als nach den Zahlungsunfähigkeitserklärungen Polens und Rumäniens gegenüber der DDR ebenfalls ein Kreditstopp verhängt wurde, auch wenn dies gleichzeitig eine politisch motivierte Vorsichtsmaßnahme darstellte. Der Kreditstopp durch westliche Gläubigerbanken war die Folge. Die erneut forcierte Erhöhung von Westexporten bei gleichzeitiger rigider Drosselung von Westimporten bedeutete jedoch keine Abhilfe. Vielmehr wurden die dringend modernisierungsbedürftige Industriestruktur und das Produktionspotenzial weiter geschwächt.

Erst zwei vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß vermittelte Kredite in den Jahren 1983 und 1984 in Höhe von insgesamt 1,95 Milliarden DM, für welche die Bundesrepublik Deutschland eine Garantie übernahm, stellten – ohne dass sich die weiter bestehenden gravierenden Wirtschafts- und Finanzprobleme grundlegend änderten – die Kreditwürdigkeit der DDR wieder her. Dennoch war die aufgelaufene Verschuldung in westlicher Valuta nicht mehr abzugleichen.
Seit 1981 pendelte das Schuldenvolumen bis zur „Wende“ von 1989/90 zwischen 15 und 25 Milliarden DM. Auch die kleinste noch bestehende Chance auf Besserung der katastrophalen Wirtschaftssituation schwand 1986, als ein rascher Einbruch der Rohölpreise und somit auch der Preise für Erdölprodukte erfolgte. 1989 vermochten Devisenerlöse der DDR-Ökonomie nur noch zu 35 Prozent Westimporte, Zinsen und Tilgung abzudecken.

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