Freitag, 8. Januar 2010

BRD: Entspannungspolitik und Friedenspolitik (Teil 4)

Entspannungspolitik und Friedensbereitschaft 1962-1989

Auch nach dem Bau der Mauer hielt die Bundesregierung am Alleinvertretungsanspruch für Deutschland fest. Zwei deutsche Botschaften gab es nur in Moskau, anderen Staaten gegenüber wurde die Aufnahme von Beziehungen zur DDR mit dem Abbruch der Beziehungen durch die BRD beantwortet (Hallstein-Doktrin).
1965 führte diese selbstgesetzte Erpressbarkeit zu dem Fiasko, dass die BRD in der arabischen Welt kaum mehr vertreten war. Im Westen drohte ebenfalls zunehmend Isolation, weil das Beharren der BRD auf deutschlandpolitischen Konzessionen die Entspannungspolitik behinderte. Auflockerungsversuche in Richtung auf die Ostblockstaaten unter Umgehung der DDR scheiterten 1964. Auch die weitergehenden Versuche der Großen Koalition 1966-69 waren nicht erfolgreich und verfingen sich im Streit zwischen den Koalitionspartnern, der auch die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages blockierte.

Erst die sozialliberale Koalition 1969-82 brachte den Mut auf, die existierenden Grenzen anzuerkennen, um sie durchlässiger zu machen und auf dieser Grundlage ein neues, friedliches Verhältnis zu Osteuropa zu suchen. Im Gegenzug konnte in Viermächteverhandlungen die Beilegung des ständig schwelenden Berlin-Konflikts erreicht werden.
Die harten Auseinandersetzungen um die Ostpolitik und die Übertritte einiger Abgeordneter zur CDU/CSU führten 1972 zum erfolglosen Versuch eines Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Brandt und schließlich zu Neuwahlen, in denen die Regierung mit deutlicher Mehrheit bestätigt wurde. Zum ersten Mal wurde die SPD in dieser von der Auseinandersetzung um die Ostverträge bestimmten Wahl stärkste Fraktion im Bundestag. Nach der Westintegration in den 50er Jahren wurde mit dieser Wahlentscheidung die Friedenspolitik nach Osten Konsens.
Schrittweise schloss sich in den folgenden Jahren auch die CDU/CSU dieser Grundorientierung an, vor allem als sie 1982 wieder an die Regierung kam. Mit der Vermittlung des "Milliardenkredits" an die DDR 1983 sprang auch Strauß, der sich jahrzehntelang in der West-Ost-Konfrontation profiliert hatte, auf den Zug der Entspannung auf.

Innenpolitisch unkontrovers war die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, in der EWG, EGKS und Euratom zusammengefasst wurden. Sie gelang in Brandts Kanzlerzeit aufgrund des durch die Ostpolitik gewachsenen Gewichts der BRD, das die französische Regierung mit Großbritannien ausbalancieren wollte.
Seit der Kanzlerzeit Helmut Schmidts wurde das deutsch-französische Sonderverhältnis innerhalb der EG als Antriebskern europäischer Entscheidungen aktiviert. An die Stelle des Dollars als Leitwährung trat eine europäische Währungszone, in der die DM die Ankerwährung bildete.
Die BRD wurde zum größten Handelspartner aller EU-Länder außer Spanien und Irland, die ökonomischen und politischen Beziehungen sind eng miteinander verflochten. Da die deutschen Exportinteressen aber über die EU hinausgehen, trat die BRD von jeher für eine offene Handelspolitik nach außen ein, mit Ausnahme der Landwirtschaftspolitik.

Sicherheitspolitisch konnte das deutsch-französische Verhältnis wegen der Sonderrolle Frankreichs in der NATO nicht fruchtbar gemacht werden. Auch die Gründung des deutsch-französischen Eurokorps 1992 hatte keine operative, sondern eher symbolische Bedeutung. Die USA blieben die entscheidende Führungsmacht der NATO und der eigentliche Sicherheitsgarant, vor allem in Bezug auf West-Berlin. Die BRD wurde andererseits wegen der konventionellen Stärke der Bundeswehr als Alliierter für die USA immer wichtiger.

Das gefährliche Ausmaß der sowjetischen Raketenrüstung Ende der 70er Jahre wurde zuerst von Bundeskanzler Schmidt kritisiert. Als Reaktion kündigte die NATO eigene Raketen an, falls die sowjetische Hochrüstung nicht eingestellt werde ("Doppelbeschluss"). Zusätzliche Besorgnis löste der sowjetische Einmarsch in Afghanistan aus, der dann zur Wahl Reagans als US-Präsident und seinem harten Konfrontationskurs beitrug – einem Nachwinter des Kalten Krieges. Die Raketenaufstellung rief in der BRD leidenschaftliche Reaktionen hervor ("Friedensbewegung"), die das pazifistische Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft sichtbar machten.

Jedoch waren beide deutsche Staaten auch während des neuen Ost-West-Konflikts, der "Nachrüstung" im Westen und der östlichen Reaktion einer weiteren Raketenaufstellung bemüht, die Spannungen zu begrenzen, statt wie früher die Konfrontation zu schüren. "Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen" wurde ein gesamtdeutsches Leitwort. Die Ereignisse machten dem sowjetischen Führungspersonal einerseits klar, dass der Westen reaktionsfähig blieb und stärker war, andererseits aber, dass Deutschland sich entscheidend gewandelt hatte und ein Friedenskonsens entstanden war. Im Frühjahr 1989 wurde dies noch einmal deutlich, als Deutschland angesichts der sowjetischen Abrüstung die Stationierung neuer Kurzstreckenraketen verweigerte und diese vermittelnde Haltung in den USA als "Genscherismus" bezeichnet wurde.

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